Andreas Nicolai im BS-Interview: Es wird Zeit für ein Museum für Humor und Satire

 

Berlin wäre ihnen als Standort am liebsten: Andreas Nicolai, Geschäftsführer

der Cartoonlobby, erläutert im Interview der „Berliner Stimme“ die Museumspläne der Karikaturisten. Die Fragen stellte Ulrich Horb.

 

Nach dem Attentat auf die französische Satirezeitschrift Charlie Hebdo Anfang des Jahres wurde viel über die Freiheit der Kunst und der Karikatur diskutiert.

Mit dem Abstand eines halben Jahres: Was hat sich für Karikaturisten verändert, hat die Karikatur an Freiheit verloren?

Bis heute gibt es in der Öffentlichkeit Diskussionen zum Thema „Was darf Satire?“, zu denen auch unsere Cartoonlobbyisten als kompetente Partner eingeladen werden. Die Karikatur fand im letzten halben Jahr eine Beachtung, wie sie für Deutschland eher ungewöhnlich ist. Eine Chance für uns zu vermitteln, welche Rolle die aktuelle Pressezeichnung und kritische Grafik in unserer Gesellschaft spielen kann. Wie sie zur Meinungsbildung beiträgt und in der Lage ist, Missstände aufzudecken und anzuprangern.

Aus Sicht der Karikaturisten hat sich für deren Arbeit nichts Wesentliches verändert. Nun steht dieser auch nicht morgens auf und sagt sich: „Lass uns heute mal ein paar Muslime beleidigen … oder wenigstens religiöse Gefühle verletzen“. Geht es um heikle Themen, dann greift er diese als Teil des politischen Weltgeschehens auf oder wenn Missbrauch im Namen von Religionen betrieben wird. Gern auch, um mit einem befreienden Lachen eine festgefahrene Konfrontation zu entkrampfen.

Es ist ein hohes Gut der freiheitlichen demokratischen Verhältnisse, dass jeder ungestraft zeichnen und sagen kann was ihm auf der Seele liegt, solange es nicht gegen gültiges Recht verstößt. Aber machen wir uns nichts vor, das heißt noch lange nicht, dass dies auch gedruckt oder gesendet wird. Da entscheiden andere Befindlichkeiten.

 

Die Cartoonlobby versteht sich als eine Interessenvertretung der Karikaturisten.

Welche Interessen stehen da zur Zeit obenan?

Bei unserer Verbandsarbeit geht es um die Wertschätzung, die man dem Schaffen der Karikaturisten entgegenbringt und diese spiegelt sich natürlich darin wider, wie deren Leistungen honoriert werden. Die Honorare und die Möglichkeiten zur Veröffentlichung werden tendenziell immer geringer. Wir wollen den Berufsstand des Karikaturisten fördern und für die Komischen Künste eine Forum in der Öffentlichkeit schaffen, damit diese eine angemessene Anerkennung auch hier in Deutschland finden.

Immer wieder mischen wir uns mit thematischen Ausstellungen in gesellschaftliche Debatten ein. Geht es um Klimawandel, Umgang mit unseren Ressourcen, aktuelle Politik, demografischen Wandel oder den „alternativlosen“ Kapitalismus - Karikaturisten haben dazu etwas zu sagen! Dabei zeigen wir auch das kreative Potential und die Ideenvielfalt bei der Umsetzung von Themen, zu denen Karikaturisten befähigt sind. Gleichzeitig wird deutlich welchen Beitrag dieses Medium zur Kommunikation und Auseinandersetzung mit Problemen in Politik und Alltag leisten kann, wenn man es nur lässt

Das kulturelle Erbe auf dem Gebiet der Zeichenkunst wollen wir bewahren und verdeutlichen, dass es sich bei Cartoon und Karikatur um eigenständige Kunstformen handelt. Karikaturisten sind gleichzeitig auch immer Chronisten von Zeitgeist und Zeitgeschehen, was sie im historischem Kontext interessant macht, zur anschaulichen Verdeutlichung von Zusammenhängen.

Dafür wollen wir das Bewusstsein der Gesellschaft schärfen. Die Zeichner sind mehr, als nur Pausenclowns in den Bleiwüsten der Zeitungen und keine bloßen „Witzbildzeichner“.

 

Im Gespräch mit der kulturpolitischen Sprecherin der SPD-Fraktion Brigitte Lange: Andreas Nicolai, Geschäftsführer der Cartoonlobby e.V. und Philipp Heinisch, Vorsitzender. Foto: Horb

 

 In Luckau betreibt die Cartoonlobby ein Cartoon-Museum.

Warum gibt es so etwas nicht in Berlin?

Seit Februar 2011 hat der Verein und seine „Sammlung_Museen für Humor und Satire“ ein vorläufiges Domizil in Luckau gefunden. Dafür waren wir sehr dankbar, denn hier haben wir erst einmal ideale Voraussetzungen für unsere Arbeit. Wir können bereits als anerkanntes Museum unter dem Namen „Cartoonmuseum Brandenburg“ agieren. Dort wird unsere Sammlung verwahrt, erweitert und präsentiert. Natürlich zeigen wir auch alles, was wir für dazugehörig und wichtig halten, entsprechend unserem Leitbild. Wir sehen uns ganz in der satirischen Tradition der Hauptstadtregion. Es war von Anfang an klar, dass wir in Luckau nur für ca. zehn Jahre bleiben können. Deshalb begann 2015 die intensive Suche nach neuen Standorten und interessierten Partnern. Erfahrungsgemäß kommen für ein zukünftiges Museum und seinen Sitz nur Großstädte in Frage – Berlin wäre uns am liebsten.

In unseren jetzigen Gesprächen mit der Berliner Politik kam oft die ungläubige Frage: So ein Museum existiert noch nicht in Berlin? Da ist keine Galerie oder Einrichtung mit ähnlichem Profil? Unvorstellbar! – finden wir auch. Aber selbst bundesweit gibt es nur sieben Einrichtungen ähnlicher Ausrichtung und regelmäßigen Ausstellungen. Verglichen mit Häusern und Galerien für die bildenden Künste oder Heimatmuseen ist das ein absolutes Alleinstellungsmerkmal

Vielleicht ist ein „Karikaturmuseum Berlin“ noch Vision, weil es wie überall engagierte Partner braucht, interessierte Politiker und finanzierbare Räumlichkeiten. Wir sind aufgebrochen all dies zu suchen!

 

Was könnte Berlin tun, um die Karikaturistenszene stärker zu fördern?

Berlin sollte uns mit offenen Armen aufnehmen. Sollte uns helfen bei der Verwirklichung unseres Vorhabens. Dem „Politischen Berlin“ stünde es gut zu Gesicht, wenn es dort eine dauerhafte Einrichtung für politische Karikatur und eine Plattform für gezeichnete Satire und Humor gäbe!

Wir kommen auch nicht als Bittsteller. In unserem Gepäck befindet sich ein Kunstschatz von ca. 25 000 Originalzeichnungen, eine umfangreiche Fachbibliothek für Humor und Satire von rund 10 000 Exemplaren. Die Cartoonlobby bringt die Erfahrungen, Kontakte und den Nachweis nachhaltig ein Museum betreiben zu können mit. Es braucht also nur noch interessierte Partner, die mit dabei gewesen sein wollen, wenn die Kulturmetropole Berlin ihr Museum für Humor und Satire bekommt.

Den Ruhm teilen wir uns gern, wenn uns jemand behilflich ist bei diesem Projekt, das uns so am Herzen liegt!