Friede, Freude, Eierkuchen?
Karikaturen im Kalten Krieg - die letzte Ausstellung im Cartoonmuseum in Luckau
Von GERD-RÜDIGER HOFFMANN - Neues Deutschland, 21. Oktober 2020, S. 8
Andreas Nicolai betont die Ironie im Titel der von ihm kuratierten Ausstellung nicht, weil es inzwischen in Zeiten zunehmender Humorlosigkeit und Verrechtlichung üblich ist, vor satirischen Texten und Zeichnungen zu warnen oder wenigstens absichernd auf die Besonderheit dieser Kunstgattung hinzuweisen, sondern weil er damit auf die programmatische Ausrichtung des Cartoonmuseums Brandenburg in Luckau zu sprechen kommt. »Friede, Freude ... Eierkuchen? - Karikaturen zu Kaltem Krieg und fragilem Frieden von 1945 bis heute«, ist die Exposition überschrieben.
Barbara Henniger, eine der bekanntesten Künstlerinnen auf diesem Gebiet, charakterisiert die Karikatur als Kunstgattung wie folgt: »Karikaturen sind Kommentare zum aktuellen Geschehen, die mit kritischem Blick gesellschaftliche Ereignisse begleiten und Denkprozesse in Gang setzen. Karikaturen ermuntern, provozieren, unterhalten. Karikaturen spiegeln die Welt.« Die aktuelle Ausstellung bekräftigt diese Einschätzung. Und Nicolai ist überzeugt: Der Frieden, zumindest in Europa, war nie richtig sicher. Von wegen Friede, Freude, Eierkuchen - es war vielmehr ein Gleichgewicht des Schreckens, das ein Umschlagen des Kalten Krieges in einen heißen verhinderte.
Und dieser Kalte Krieg hatte zwei Seiten. Die über 150 Karikaturen der Ausstellung zeigen, dass so mancher Irrsinn noch immer nicht überwunden ist.
Karikaturen sind notwendig für eine komplexere Sicht auf eine auf den ersten Blick unübersichtliche Welt. Karikaturen regen an, einen zweiten oder dritten Blick zu wagen. Im Luckauer Cartoonmuseum Brandenburg wird wieder einmal die höchste Qualität des Faches präsentiert.
Zeichnungen von Barbara Henniger, Rainer Hachfeld, Philipp Heinisch und Reiner Schwalme, Manfred Bofinger, Heinz Jankofsky, Harald Kretzschmar, Lothar Otto, HOGLI, Annika Frank, Katharina Greve, Til Mette, Klaus Stuttmann und vielen anderen ergeben eine ansehnliche Schau zu einem gar nicht witzigen Thema. Und trotzdem hat die Ausstellung Witz. Denn Karikatur ist eben keine politische Kampfschrift oder eine zum Sprechchor taugende Losung. Die hier ausstellenden Künstler bringen auf den Punkt, was in anderen Formen politischer
Karikaturen sind notwendig für eine komplexere
Sicht auf eine unübersichtliche Welt.
Meinungsäußerung oft an den Adressaten vorbeigeht. Zeichnungen zum Schmunzeln, zum Lachen, aber trotzdem zum Nachdenken, wobei die unterschiedlichen Sichten in Ost und West besonders interessant sind.
Manchmal bleibt einem nach genauerer Betrachtung einer Zeichnung das anfängliche Lachen im Halse stecken. In einer Karikatur von Til Mette sieht man eine mit ihrem Handy beschäftigte Mutter, einen kleinen, von ihr unbeachteten, knuffigen Jungen und einen alten Mann auf einer Bank. Alles klar. Doch dann die dem Alten zugeordnete angedeutete Sprechblase: »Wir haben was gemeinsam, Kleiner. Wir sind beide vor dem Krieg geboren. Du weißt das nur noch nicht.« Ist das nun Panikmache, blanker Pessimismus, platte Propaganda gar? »Ganz und gar nicht«, meint Brigitte Rex aus Senftenberg, die mit ihrer vor 25 Jahren gegründeten Frauengruppe »Lisa« der Rosa-Luxemburg-Stiftung Brandenburg angereist ist. »Ich nehme diese wie auch andere Zeichnungen als Anlass zum Nachdenken und auch als Aufforderung, eben nicht zu schnell von Friede, Freude, Eierkuchen zu sprechen.«
Doch es ist leider die letzte Ausstellung des Cartoonmuseums Brandenburg in Luckau. Nach zehn Jahren erfolgreicher Arbeit ist am 1. November Schluss. Die Initiatoren hoffen, dass Berlin oder Potsdam ihr Museum aufnimmt. Bisher vergeblich, weshalb Harald Kretzschmar beklagt, dass Karikaturisten zu Bittstellern am Ende der Schlange der Bedürftigen degradiert seien. Andreas Nicolai wirbt für eine Petition an den Bundestag, die dazu beitragen soll, diesen Zustand zu ändern. Ihr Titel: »Schluss mit lustig? Cartoonmuseum für die Hauptstadtregion erhalten!«
Warum? Barbara Henninger betont: »Karikaturen spiegeln die Welt. Karikaturen brauchen einen Platz, wo sie gesammelt, bewahrt und gezeigt werden können. Karikaturen sind Kunst!«
...
Petiton: www.openpetition.de/cartoonmuseumretten